Notruf Suchtberatung M-V: Teilnahme am bundesweiten Aktionstag

05.11.2020 in
Aktuelles
von
Suchthilfe MV

Mit einer landesweiten Aktion beteiligte sich die Evangelische Suchtkrankenhilfe Mecklenburg-Vorpommern gGmbH (ESM) am 04.11.20 an dem bundesweiten Aktionstag „Suchtberatung – Kommunal wertvoll!“ der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e. V. (DHS) unter der Schirmherrschaft der Bundesdrogenbeauftragten Daniela Ludwig.
 Mitarbeitende der Suchtberatungsstelle der ESM in Waren am Suchtberatungs-Aktionstag
Die Mitarbeitenden der Suchtberatungsstellen der ESM in Schwerin, Waren/Müritz (Bild links), Neustrelitz, Gervesmühlen, Gadebusch, Stralsund und Ribnitz-Damgarten traten am Aktionstag kurz vor 12 Uhr vor ihre Beratungsstellen und legten für einen Moment ihre Arbeit nieder. Dabei machten sie mit Plakaten auf Kernprobleme in diesem Bereich aufmerksam. „Unsere Mitarbeitenden sind an ihren Kapazitätsgrenzen – wir benötigen zusätzliche Fachkräfte und eine auskömmliche Finanzierung. Unsere Arbeit ist wertvoll und muss angemessen gefördert werden“, so die Geschäftsführerin von mehreren Suchtberatungsstellen der ESM in Mecklenburg-Vorpommern, Katrin Kuphal.
 
In Mecklenburg-Vorpommern sind schätzungsweise 100.000 bis 150.000 Menschen suchtkrank oder suchtgefährdet. Davon können jedoch nur rund 10.000 Menschen durch die insgesamt rund 70 Mitarbeitenden in den 26 Beratungsstellen im Land beraten, begleitet und unterstützt werden. „Das sind viel zu wenig“, so Kuphal weiter. „Im Landkreis Mecklenburger Seenplatte z.B. liegt die Betreuungsquote bei nur einer Fachkraft auf 20.000 Einwohner!“ In anderen Landkreisen sieht es nicht viel besser aus, im Landkreis Vorpommern-Rügen liegt die Quote bei eins zu 30.000. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen fordert dagegen eine Fachkraftquote von eins zu 10.000.

Laut der ESM ist gerade für suchtkranke und suchtgefährdete Menschen eine schnelle Hilfeleistung dringend notwendig: es könnten weit mehr Menschen von dem Angebot profitieren, wenn es ausgebaut würde. Dazu müsste aber laut Kuphal die Finanzierung des Personals und der Sachkosten gesichert sein. „Noch müssen wir als Träger in MV hohe Eigenanteile erwirtschaften, um das Suchtberatungsangebot überhaupt aufrechterhalten zu können. Es ist nicht zu rechtfertigen, dass wir eine kommunale Pflichtaufgabe erfüllen und in MV teilweise bis zu 40 Prozent der Kosten aus Eigenmitteln finanzieren müssen“, so Kuphal. So wird die ESM im laufenden Jahr alleine für die Suchtberatungen in Waren und Neustrelitz über 45.000 Euro einbringen müssen. Die Landeshauptstadt Schwerin ist bei der Finanzierung der Suchtberatungsstellen mit unter 70% der Gesamtkosten das Schlusslicht im landesweiten Vergleich. „Wir wünschen uns von der Landespolitik die Unterstützung der kreisfreien Städte und Landkreise bei der Finanzierung der Suchtberatungsstellen. Unsere Suchtberater brauchen eine verlässliche Perspektive und die Anerkennung mit einer angemessenen Finanzierung von mindestens 90% der Gesamtkosten.“

Doch ab dem Jahr 2021 sollen die Zuschüsse der Suchtberatungsstellen neu nach Einwohnerzahl auf die einzelnen Landkreise und kreisfreien Städte verteilt werden. Kuphal: „Dann sieht es für den Landkreis Mecklenburger Seenplatte, dem größten Flächenkreis Deutschlands, und für die Leistungserbringer noch schlechter aus. Aus Sicht unserer Experten genügen die Standorte und der Fachkräfteansatz in der Fläche nicht. Die Mittel des Landes sollten sich hier nicht nach der Einwohnerzahl richten, sondern nach dem tatsächlichen Bedarf und den strukturellen Anforderungen des Flächenkreises.“

Das Angebot der Suchtberatungsstellen: In Zeiten der Corona-Beschränkungen wertvoller denn je

Aktuelle Studien zum volkswirtschaftlichen Nutzen von Suchtberatungsstellen haben ergeben, dass jeder eingesetzte Euro, der von der öffentlichen Hand in die Beratungs- und Behandlungsstellen investiert wird, Kosten in Höhe von 28 Euro vermeidet. Und die Pandemie verschärft die Situation zusätzlich, wie verschiedene Untersuchungen zeigen. Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim und des Klinikums Nürnberg haben sowohl der Tabak- als auch der Alkoholkonsum weiter zugenommen.

Mitarbeitende der Suchtberatungsstelle SchwerinDies spiegelt sich auch in den Suchtberatungsstellen der ESM wieder: der Nachfrage kann kaum noch entsprochen werden. Auch Termine können kurzfristig nicht mehr überall sichergestellt werden. „Wir möchten jedem Hilfesuchenden gerecht werden. Jetzt muss aber unser Notruf gehört werden!“, so Manfred Dencker, Leiter der Suchtberatungsstellen der ESM im Landkreis Mecklenburger Seenplatte. „Wir brauchen die Unterstützung der Politiker, um eine Stabilität und Perspektive für das Personal unserer Beratungsstellen auch für das Jahr 2021 und darüber hinaus zu erreichen. Derzeit stehen in unserem Landkreis nur noch 13,1 Vollkräfte den 260.000 Einwohnern gegenüber. Wir appellieren an die Lokalpolitik und die Verwaltung: prüfen Sie die Beratungssituation für Suchtkranke und Suchtgefährdete und kämpfen Sie um die finanzielle Unterstützung des Landes. Wir brauchen dynamische, an Inflationsraten und Tariferhöhungen angepasste Zuwendungen.“

Auch unter den Pandemiebedingungen geht die Arbeit der Suchtberatungsstellen weiter, so der Beratungsstellenleiter. „Unsere Mitarbeiter beraten unter den vorgeschriebenen Schutz- und Hygienevorschriften und neu auch über digitale Medien. Das Angebot für Hilfesuchende muss aufrechterhalten werden, da sie in Zeiten der auferlegten Kontakteinschränkungen erhebliche Schwierigkeiten haben sich zuhause selbst zu motivieren, zu versorgen und die Abstinenz stabil zu halten. Schnell droht sonst der Rückfall in die Sucht und damit auch eine hohe Eigengefährdung. Wir wissen: Sucht macht keine Corona-Pause.“

 

 

 

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Suchtberatungsstellen der Evangelischen Suchtkrankenhilfe M-V in Gadebusch/Grevesmühlen (Bild links) und  in Stralsund/Ribnitz-Damgarten (Bild rechts) machen zum Aktionstag Suchtberatung auf Ihre Situation aufmerksam.

Fotos. ESM